Online Dating

Ich bin Ende 40 und habe die meiste Zeit meines Lebens in Beziehungen gelebt.
Zwei längere (7+15 Jahre) und einige kurze, welche die "Test-und-Kennenlern-Phase" nicht überstanden haben.
Meine Theorie ist, man benötigt etwa ein Jahr, um einen Menschen so gut kennenzulernen, dass man sich ein realistisches Urteil erlauben kann, über seine Persönlichkeit und Lebensvorstellungen. Darüber ob dieser Mensch das fehlende Puzzleteil ist, welches das eigene Leben komplett macht; ob es die ganz große Liebe ist, man sich blind versteht, seelenverwandt ist und nicht mehr ohne den anderen sein will, oder sich auch nur gut genug versteht und ergänzt, um seine Haushalte zusammen zu schmeißen und fortan sein Leben gemeinsam zu verbringen.

Oftmals wußte ich schon weit vor dem Ablauf dieser Zeit, dass die Person nicht als Partner für mich taugt, aber wie es so ist, in der ersten Verliebtheit geniesst man einfach nur das Gefühl und verschließt die Augen vor dem Offensichtlichen.

So habe ich viele, viele Jahre in dem Zustand von Unzufriedenheit verbracht.
Habe nicht MEIN Leben gelebt sondern das eines anderen. Habe vieles schleifen lassen. Anstatt berufliches Vorankommen anzustreben, lieber mit den Männern rumgehangen, die solche Gedanken für sich selbst schon längst aufgegeben hatten oder diese, aufgrund des Umfeldes, in dem sie aufwuchsen, niemals je auf dem Plan hatten.
Meine Ansprüche sind nicht hoch. Mein Partner muß kein Arzt oder Anwalt sein. Er muß nicht mal ein sogenannter Normalverdiener sein. Schön wäre nur, wenn er überhaupt ein Einkommen hat und wenn nicht, sich darum bemüht eins zu bekommen, anstatt es normal zu finden sich in der sozialen Hängematte hängen zu lassen. Sich einzureden er bekäme sowieso keinen Job. Und wenn, dann mit jeder Tätigkeit unzufrieden zu sein.

Im Grunde waren die kurzen Phasen, in denen ich Single war, die schönsten, produktivsten und stressfreiesten Zeiten meines Lebens.
Ich kann mir nicht recht erklären wieso ich trotzdem ständig auf der Suche nach einem Partner bin/war.
Vielleicht hat es mit dem zu tun was man nach aussen hin darzustellen hat, wie ein Leben in seiner Perfektion auszusehen hat. Damit, dass man nur mit Partner komplett sein kann oder auch damit, dass man irgendwie wie die alte Jungfer dasteht, die keiner wollte.
Vielleicht ist es auch viel simpler und es sind ganz einfach nur die Hormone, die uns dazu treiben. Was eine weitere Theorie von mir unterstützt, dass Hormone unser gesamtes Leben regeln. Dass wir kaum eine eigenständige Entscheidung treffen können, sondern von Hormonen gesteuert werden wie eine Marionette von ihrem Puppenspieler.
Glück, Depression, Angst, Mut oder Zufriedenheit, alles ein Produkt des Hormoncocktails in unserem Körper.

Wie dem auch sei, sehnen die meisten von uns sich nach einer Partnerschaft.
Und aus welchem Grund auch immer, hatte ich es stets schwer auf dem Partnerschaftsmarkt.

Heute falle ich nicht mehr in Depressionen, wenn ich darüber nachdenke wieso ich in der Vergangenheit, trotz ziemlich attraktiven Körpers und sicherlich nicht unterdurchschnittlichen Gesamtaussehens, oftmals das Nachsehen hatte gegenüber dicklichen, grauen Mäusen.
Ich habe ein schwaches Selbstbewußtsein und strahle das sicherlich auch aus. Ich bin dadurch scheu und zurückhaltend gegenüber Personen die mir fremd sind und vor allem bin ich sehr verunsichert, wenn ich mit mehreren Menschen gleichzeitig zu tun habe.
Ich bin Perfektionistin und alles was an mir nicht perfekt ist empfinde ich als übergroßen Makel.
Der Gedanke nicht zu sein wie alle anderen entspringt meiner Kindheit und frühen Schulzeit, die geprägt war von Hänselei oder Mobbing, wie man heute so schön sagen würde.
Soviel zum Thema: wie dumme Kinder dein Leben zerstören können und du dich nur mit größter Anstrengung und evtl. Hinzuziehung von Psychologen wieder auf "Werkszustand" zurücksetzen kannst.

Ausstrahlung scheint also weitaus wichtiger als Aussehen zu sein!
Was erklärt wieso mich die, die mich kennen lieben und die, die mich erst Kennenlernen sollen Desinteresse zeigen.
Ich strahle Unsichereit aus und wahrscheinlich noch jede Menge andere Signale, die wiederum mein Gegenüber verunsichern und mich für sie uneinschätzbar machen.

Die Schwierigkeiten im Alltag jemanden kennenzulernen brachten mich unweigerlich irgendwann auf einschlägige Online Dating Plattformen.
Auf einer davon bin ich nun seit etwa 6 Jahren registriert und habe eine ganze Reihe Menschen darüber kennengelernt.

Ich weiß nicht, wie es sich auf kostenpflichtigen Angeboten verhält aber meine Erfahrungen auf den kostenlosen sind zum Teil verheerend!!

Um es auf einen Nenner zu bringen: Eine Macke hat dort jeder!

Ja, auch ich! (s. oben)

Nun wäre die Aufgabe jemanden zu finden, der eine möglichst kompatible Macke hat.
Das ist allerdings auf dem Wege noch schwieriger als im echten Leben.

Und um es genau zu überdenken: haben im wirklichen Leben überhaupt so viele Menschen so heftige Macken, wie sie bei den Mitgliedern der kostenlosen Singlebörsen vertreten sind?
Ist es nicht eher so, dass dort nur die jenigen landen, die im wahren Leben keine Chance haben aufgrund ihrer zu heftigen Macken?
Wenn ich mir Menschen ansehe, mit denen ich im Alltag zu tun habe erscheinen mir nicht so viele davon so verschroben zu sein sie die Leute, die ich über das Internet kennenlernte.

Ich denke man liest es heraus aber falls nicht, erwähne ich es noch mal ausdrücklich. Der Begriff Macke ist weder böse noch abwertend gemeint! Immerhin schließe ich mich selbst dort ein.
Ich habe viele Kontakte geknüpft, die nun zum Teil schon seit Jahren bestehen. Aus einigen sind Freundschaften geworden, man trifft sich regelmäßig aber an Partnerschaft ist mit keinem von denen zu denken. Bzw. wurde bei einigen ausprobiert und hat sich als nicht passend herausgestellt.

Neben den mackenbehafteten Chancenlosen tummelt sich dort die große Anzahl der jenigen, die nur auf Sex aus sind.
Diese sind zwar lästig aber im Grunde die harmlose Fraktion. Sie geben ihr Ansinnnen praktisch immer gleich Preis und sind wieder weg wenn man klargemacht hat, dass man dafür nicht zur Verfügung steht.
Viele davon sind verheiratet (traurig genug) andere haben gar kein Interesse an einer Beziehung.

Was mich in letzter Zeit nachdenklich macht und mich überlegen lässt ob ich mich bei dieser Singlebörse abmelde, ist das letzte Erlebnis, das ich dort hatte.

Ich weiß, dass ich mich wohl kaum nochmals mit einem Mann treffen werde, den ich im Internet kenenlerne.
Ich weiß nun, dass sowas verdammt gefährlich sein kann!
Ich weiß, dass man einem Psychopathen nicht ansieht oder -merkt, dass er psychisch gestört ist.
Ich weiß, dass solch eine Person durchaus sehr nett und charismatisch erscheinen kann.
Ich weiß, dass es nicht nur körperliche Gewalt gibt sondern auch psychische.
Und ich weiß, dass ich noch mal großes Glück gehabt habe, dass dieser Mensch im Grunde "harmlos" war.

Aber mehr dazu beim nächsten Mal....
pattern1

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Zuletzt aktualisiert: 28. Jun, 15:37

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